#8 Paul Leitner

 

Paul Leitner, "White Paper #8", 2016.

 

 

Caroline: Die Frage nach dem Prozess als Werk ist zentraler Fokus einiger Künstlerinnen und Künstler der Moderne. Du arbeitest mit „armen“ Materialien!? A4 Kopierpapier 80g und Schraubzwingen, die in jedem Baumarkt erhältlich sind. Inwieweit ist der Prozess Thema Deiner Arbeiten?

 

Paul: Ich brauche meistens sehr lange um mit einer Idee an einen Punkt zu kommen, an dem ich bereit bin mit einer materiellen Umsetzung  zu beginnen. Bei diesem Entstehungsprozess habe ich meist schon eine sehr klare Vorstellung mit welchen Materialien ich die Arbeit umsetzen will. Nachdem ich mit der Arbeit begonnen habe ändern sich Formen, Ideen, Konzepte meist noch einige Male. Die Herausforderung besteht darin, im richtigen Moment aufzuhören. Man könnte also sagen dass der Prozess eine grosse Rolle in meinem Werk spielt. Oft versuche ich entweder auf industriell vorgefertigte Teile zu verzichten, oder die ganze Arbeit daraus zu formen, womit ich diese ästhetische Vorgabe der Industrie wieder zu hinterfragen versuche. Diese Auseinandersetzung mit Normen findet man auch in der Arbeit für das White Paper Museum. Da in einer industriellen Anwendung Teile miteinander kombinierbar sein sollten werden diese durch Normen standardisiert. An sich nichts Schlechtes, jedoch leidet dann auch die Diversität.

 

C: Normierungen haben Vor- und Nachteile. Sie schränken ein, was manchmal ein Nachteil sein kann. Der Vorteil, sie erlauben uns zu vergleichen und über weite Strecken zu kommunizieren. Allerdings ist ein Meter nicht gleich ein Meter. Das weiß jeder, der mal zwei Metermaße verwendet hat. Für die White Paper Museum – Schachtel habe ich eine genormte Deckelgröße von A3 beschlossen, um sie auch leichter verschicken zu können. Das Innenmaß ist dadurch bedingt kleiner. Dazu kommt, dass durch die manuelle Umsetzung der Kartonschachteln die Maße durch den Faktor Mensch alles andere als gleich und genau geworden sind. Entschuldige die Probleme, die Dir diese Ungenauigkeit bereitet hat. Die weiße Schachtel sollte als ein Skelett, als eine Rahmenbedingung funktionieren. Du hast sie gleich als Material verarbeitet?!

 

P: Der Faktor Mensch hat in diesem Fall die ganze Arbeit massgeblich beeinflusst. Dadurch dass die Schachtel eben nicht exakt A3 misst, konnte ich erst die Arbeit herausarbeiten die es letztendlich geworden ist. Der Inhalt der vorgegeben Box, die sich bereits jeglicher Norm entzieht, ist mit einem DIN A4, und einem exakt den Rest der Box füllenden ungenormten Blatt gefüllt. Nur subtil sichtbar und doch irritierend, da gerade ein A4 Blatt in seinen Dimensionen für uns leicht erfassbar ist. Die Schraubzwingen verstärken den Eindruck der Karton sei “vollgestopft”, und formen an der Oberseite eine wellenähnliche Struktur, die wiederum dem festen konkreten Block des Papiers auflöst. Wie relativ diese Normen sind wird in dem kleinen “Guckloch” an der Seite der Skulptur sichtbar. Ich habe bewusst bei 7 verschiedenen Herstellern genormtes DIN A4 mit 80g bestellt. Es ist überraschend wie sehr die Farbtöne in dieser Norm abweichen dürfen. Für unser Auge sind diese unterschiede jedoch fast nur an den Schnittkanten wahrnehmbar. Beim Durchmischen dieser “unterschiedlichen” Bögen entsteht diese marmorartige Struktur, die für mich eine Referenz auf dieses sehr kompakte Material ist. Aus dem sehr leichten und fragilen Werkstoff Papier entsteht ohne großen Einfluss eine sehr kompakte feste Struktur.

 

C: Eine kompakte Struktur mit enormen Gewicht. Danke Paul, für Dein White Paper ♦

 

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C: The issue of taking the process as the actual work is a central focus for many modern artists. You work with “poor” materials!? 80g A4 copy paper and screw clamps from the hardware store. To what degree is the process the topic of your work?

 

P: I usually need quite a long time to get an idea to the point where I start its material realization. Through this creative process, I usually already have a very clear idea of the materials I am going to use to make the work. After I have started, the shapes, ideas, and concepts involved usually change again, often several times. The challenge is to stop at just the right moment. So, one could indeed say that the process plays a great role in my artwork. I often try to either avoid using commercially manufactured parts, or to make the entire work out of them in an attempt to question commercial aesthetic standards. You can see this challenging of norms in my work for the White Paper Museum. Since parts must be compatible with one another for industrial application, they are standardized using norms. In and of itself not a bad thing, but it does make diversity suffer.

 

C: Norms have their pros and cons. They limit, which can sometimes be a disadvantage. The advantage is that they allow us to compare and to communicate over long distances. However, a meter is not always a meter. Everyone who has ever used two tape measures knows that. I decided to use a normed A3 lid for the White Paper Museum, in order to be able to ship it more easily. The interior is thus, by nature, smaller. The fact that the manual fabrication of cardboard boxes is anything but exact and the same, due to the human factor, adds this to. Please excuse the problems that this imprecision has caused you. The white box is supposed to be a skeleton, a framework. You used it as a material?!

 

P: In this case, the human factor significantly influenced the entire work. Since the box isn’t exactly equal to an A3, the only artwork I could create was the one that emerged in the end. The contents of the box provided, which doesn’t meet any norms whatsoever, is filled with a DIN A4 and an un-normed sheet of paper that fits exactly into the rest of the box. Only barely visible yet still irritating, since an A4 sheet of paper and its dimensions are easy for us to comprehend. The screw clamps emphasize the impression that the box is “stuffed full”, shaping the upper side into a wave-like structure and dissolving the solid concrete block of the paper. The relativity of these norms is made visible through a small “peephole” in the side of the sculpture. I intentionally ordered normed DIN A4, 80 grams, from seven different manufacturers. It is surprising how the coloration is permitted to vary within the norm. To our eyes, these differences are visible almost only along the cut edges. The mixing of the “different” sheets of paper creates a marble-esque structure, for me a reference to the very compact material. Without a lot of influence, a very compact, solid structure is made from the very light and fragile material of paper.

 

C: A compact structure with enormous weight. Thank you, Paul, for your White Paper ♦

 

 

 

Paul Leitner * 1983, lebt und arbeitet in Wien.
2003 zivildienst werkstätten und kultur haus wien / 2004 neunmonatige studienreise im asiatischen raum / 2005 beginn des studiums bei brigitte kowanz uni. f. angewandte kunst / 2007-2013 assistent atelier alfons schilling / 2011 abschluss des studiums bei brigitte kowanz uni. f. angewandte kunst / 2011 auszeichnung für junge kunst des landes niederösterreich für die diplomarbeit “paper-jack”

paulleitner.com

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